Antiarrhythmika


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Klasse Ia: Chinidin, Procainamid, Disopyramid, Ajmalin, Prajmalin
Klasse Ib: Lidocain, Mexilitin, Tocainid, Aprindin, Phenytoin
Klasse Ic: Propafenon, Flecainid, Lorcainid, Encainid
Klasse II: beta-Blocker (Metoprolol, Bisoprolol, Propanolol, ...)
Klasse III: Amiodaron, Dronedaron, Ibutilid, Sotalol, Vernakalant
Klasse IV: Verapamil, Gallopamil, Diltiazem, Flunarizin, Diprafenon
Sonstige: Adenosin, Digitalis, Ivabradin, Magnesium


Einführung:
Antiarrhythmika werden zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Die Einteilung erfolgt nach der Vaughan-Williams-Klassifikation. Andere gehören in die Kategorie der Nicht-Vaughan-Williams-Klassifikation-Wirkstoffe, kurz NVWK-Wirkstoffe. Die einzelnen Wirkstoffe greifen an verschiedenen Stellen des myokardialen Aktionspotentials an.


Informationen zur Wirkweise der einzelnen Elektrolyte auf die Herzfunktion finden Sie unter http://www.kardiophysiologie.info.

Vor der Behandlung mit antiarrhythmischen Medikamenten steht die korrekte Diagnose im EKG.
Die EKG-Diagnostik kann mit dem EKG-Übungsbuch trainiert werden:
https://www.ekg-übungsbuch.de.

(Beide Webseiten gehören ebenfalls zum Kompetenznetzwerk Medizin).

Nutzung dieser Seite:
Für jede Gruppe ist die Leitsubstanz genannt und welche Wirkung sie hat. Sofern einzelne Wirkstoffe in der gleichen Gruppe sich gänzlich von der Leitsubstanz unterscheiden, ist das extra vermerkt.
Für jeden Leitsubtanz ist vermerkt, ob sie frequenzstabilisierend und/oder rhythmusstabilisierend wirkt.
Alle Antiarrhythmika besitzen selbst das Potential proarrhythmisch zu wirken. Das Maß dieses Potentials ist für jede Klasse genannt (+: gering, ++: mittel, +++: hoch).

Im Folgenden sind die Wirkstoffnamen genannt. Praktisch alle Wirkstoffe sind als Generika verfügbar, einige sind gar nicht mehr im Handel. Die Verfügbarkeit ist weltweit zum Teil recht unterschiedlich. Sie wurden jedoch der Vollständigkeit halber aufgenommen, vor allem um die Recherche bei Patient(inn)en mit komplexer Medikamentenanamnese zu ermöglichen.


Um die Wirkung der Wirkstoffe klarer zu machen und einheitlich zu halten, werden Abbildungen mit Farbcodes verwendet:
Extrasystolen: schwarz
Tachykardie: blau
Flattern: orange
Flimmern: rot

Die Farbcodes stehen in keiner Verbindung zu denen aus den Herzschrittmacher-Kapiteln.
Die Farbcodes sind im rechten Herzen eingetragen - das heißt natürlich nicht, dass sie ausschließlich rechtsventrikulär wirken. Es wurde darauf verzichtet die Farbcodes in beiden Vorhöfen bzw. Kammern einzuzeichnen, um die jeweilige Abbildung nicht zu sehr zu überladen.

Hinweis zu den Indikationen: Diese basieren darauf, wie die Arzneimittel wirken. Es kann durchaus länderspezizifische Indikationseinschränkungen geben.

Klasse I

Alle Klasse I-Antiarrhythmika sind grundsätzlich bei Z.n. Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz kontraindiziert. Ausnahmen nur nach gründlicher Einzelfallprüfung.

Klasse Ia: Natrium-, Kalium- und Kalziumkanalblocker

Arrhythmogentität: ++

Vertreter: Chinidin (Leitsubstanz), Procainamid, Disopyramid, Ajmalin, Prajmalin

Eigenschaften der Leitsubstanz Chinidin sowie Procainamid und Disopyramid:
Indikation: Vorhofextrasystolen, ventrikuläre Extrasystolen, supraventrikuläre Tachykardien, ventrikuläre Tachykardien, Vorhofflimmern, Vorhofflattern
Therapieklasse: Rhythmuskontrolle

(Indikationen für Chinidin)

Besonderheit von Ajmalin und Prajmalin: Betont ausgeprägte Hemmung der intraventrikulären Erregungsleitung, daher ist damit die Unterbrechung einer Präexzitation (z.B. beim WPW-Syndrom) möglich.

Anmerkung: Klasse Ia-Vertreter decken zwar ein großes Indikationsspektrum ab, sie sind jedoch sehr reich an unerwünschten Arzneiwirkungen und Wechselwirkungen, die z.T. lebensbedrohlich schwerwiegend sein können. Das trägt dazu bei, dass es zahlreiche Kontraindikationen gibt.
Ihr Einsatz ist in den letzten Jahrzehnten, durch die Entwicklung anderer Therapiemethoden und Wirkstoffe, deutlich zurückgegangen.

Klasse Ib: Natriumkanalblocker

Arrhythmogentität: +

Vertreter: Lidocain (Leitsubstanz), Mexilitin, Tocainid, Aprindin, Phenytoin

Eigenschaften der Leitsubstanz Lidocain:
Indikation: Ventrikuläre Extrasystolen, Ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern
Therapieklasse: Formal keine, funktionell Rhythmuskontrolle bei ventrikulärer Tachykardie und Kammerflimmern

(Indikationen für Lidocain)

Besonderheit von Phenytoin: Lange Zeit war Phenytoin Mittel der Wahl zur Prophylaxe und Therapie bestimmter Epilepsie-Formen, bei Tics, Trigeminusneuralgien und neuropathischem Schmerz sowie bestimmten Migräneformen. Anders als Lidocain hat es eine außerordentlich lange Eliminationshalbwertzeit (dosisabhängig, bis zu 60 Stunden). Phenytoin zeigt ausgeprägte unerwünschte Arzneiwirkungen mit zum Teil erheblichen Schäden in verschiedenen Geweben. Berüchtigt und gefürchtet ist die Hyperplasie des Zahnfleisches mit drohendem Zahnverlust.

Anmerkung: Lidocain hat von allen Vertretern der Klasse Ib (mit Ausnahme von Phenytoin) die größte Indikationsbreite. Es ist sehr kurz wirksam. Die Wirksamkeit steigt mit der Herzfrequenz.
Es wird in der Notfallmedizin eingesetzt, ansonsten als Lokalanästhetikum.
In höherer Dosis wirkt Lidocain unspezifisch zentral toxisch: Unruhe, Benommenheit, Krämpfe, Koma, bis zum Tod.
Lidocain wird in der Notfallmedizin nur kurzfristig eingesetzt. Bei langanhaltender Infusion hemmt es seinen eigenen Abbau. Die Dosis-Wirkungsbeziehung ist dann nicht mehr abschätz- und steuerbar.

Klasse Ic: Natriumkanalblocker

Arrhythmogentität: +++

Vertreter: Propafenon, Flecainid, Lorcainid, Encainid

Eigenschaften von Propafenon und Flecainid:
Indikation: Supraventrikuläre Tachykardien (einschließlich WPW-Syndrom), ventrikuläre Tachykardien.
Kategorie: Rhythmuskontrolle, Frequenzkontrolle (Propafenon, wegen zusätzlicher Eigenschaft als beta-Blocker)

(Indikationen für Propafenon und Flecainid)

Anmerkung: Propafenon besitzt auch beta-blockierende Eigenschaften.
Für Flecainid wurde nachgewiesen, dass deren Verwendung die Mortalität unter bestimmten Umständen erhöht, wohl ist auch bei Propafenon davon auszugehen. Ihre Anwendung muss daher sorgfältig geprüft werden.

Klasse II: Beta-Blocker

Arrhythmogentität: (+)

Vertreter: Metoprolol, Bisoprolol, Nebivolol, Atenolol, Propanolol, Acebutolol, Sotalol, Labetalol, Carvedilol, Pindolol

Eigenschaften aller beta-Blocker:
Indikationen: Verschiedene.
Eine Leitsubstanz gibt es nicht.
Kategorie: Frequenzkontrolle, je nach Wirkstoff auch Rhythmuskontrolle möglich
Anmerkung: Es gibt erhebliche Unterschiede in der Wirkung der einzelnen Beta-Blocker. Unterschieden werden selektive und unselektive Beta-Blocker. Manche der einzelnen Wirkstoffe haben auch vasodilatierende, sympathomimetische oder membranstabilisierende Wirkung.

Klasse III: Kaliumkanalblocker

Arrhythmogentität: +(+)

Vertreter: Amiodaron (Leitsubstanz), Dronedaron, Ibutilid, Sotalol (auch Klasse II), Vernakalant

Eigenschaften der Leitsubstanz Amiodaron:
Indikationen: Supraventrikuläre Extrasystolen, Vorhofflimmern, Vorhofflattern, Ventrikuläre Tachykardien
Kategorie: Rhythmuskontrolle

(Indikationen für Amiodaron)

Anmerkung: Amiodaron ist sehr reich an unerwünschten Arzneiwirkungen und hat ein hohes Wechselwirkungspotential mit zahlreichen anderen Medikamentenklassen. Bei längerer Anwendung sind verschiedene, z.T. irreversible, ernsthafte Organschädigungen möglich.
Dronedaron ist ähnlich problematisch.

Klasse IV: Calciumkanalblocker

Arrhythmogentität: (+)

Vertreter: Verapamil (Leitsubstanz), Gallopamil, Diltiazem, Flunarizin, Diprafenon

Eigenschaften der Leitsubstanz Verapamil:
Indikationen: Supraventrikuläre Tachykardien (einschließlich Reentry), Vorhofflimmern, Vorhofflattern

Kategorie: Formal keine, funktionell Rhythmus- und Frequenzkontrolle

(Indikationen für Verapamil)

Anmerkung: Verapamil und seine Derivate haben auch antihypertensive and antianginöse Wirkung.

NVWK-Wirkstoffe


Adenosin: supraventrikuläre Tachykardien (Akutbehandlung)

Digitalis-Präparate (Digoxin, Digitoxin): supraventrikuläre Tachykardien, tachykardes Vorhofflimmern

Ivabradin: Symptomatische Therapie von Patienten mit stabiler Angina pectoris, die beta-Blocker nicht vertragen

Magnesium: Torsade de pointe-Tachykardien, digitalisinduzierte Rhythmusstörungen, multifokale atriale Tachykardien